
Unternehmen, die auf den Verbrauchermarkt ausgerichtet sind, haben schon lange den Wert von User Experience (UX) -Design verstanden und entsprechende Investitionen getätigt. Eine gute User Experience ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal im heutigen Markt. Durch eine entsprechende Ausrichtung Ihres Unternehmens können Sie sicherstellen, dass Sie Ihren Kunden an jedem Touchpoint das bestmögliche Erlebnis bieten und somit Ihre Marke sowie Ihre Kundenbeziehungen langfristig aufbauen.
Dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, ob sich Ihre Produkte oder Dienstleistungen an Endkunden richten oder Sie nur im B2B-Bereich tätig sind. Der Industriesektor scheint jedoch nicht mit derselben Dringlichkeit wie der B2C-Sektor darauf hinzuarbeiten, ein optimales Benutzererlebnis anzubieten. Für unzufriedene Endnutzer ist es in den meisten Fällen viel einfacher als für Geschäftskunden, ihre Waren oder Dienstleistungen einfach von einem anderen Wettbewerber zu beziehen.
Dennoch gibt es auch bei den Geschäftskunden einen hart umkämpften Wettbewerb. Denn nur weil ein bestimmtes Geschäftssegment noch nicht herausgefordert wurde, heißt das nicht, dass dies nicht noch geschehen könnte.
Die Anforderungen und Erwartungen von Kunden ändern sich ständig: Was heute noch ein absolutes Muss ist, kann morgen schon nicht mehr nachgefragt werden. Denken Sie beispielsweise an die Erwartungen der Kunden an Fahrzeuge. Als Tesla aus dem Nichts auftauchte und durch den Verkauf elektrischer Luxusautos erhebliche Marktanteile gewinnen konnte, haben sich auch etablierte Automarken wie Volvo beeilt, in eine Elektrifizierung ihrer Fahrzeugflotte zu investieren. Plötzlich war Elektrifizierung ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal. Auf diese Weise hat Tesla die Spielregeln geändert und eine disruptive Wirkung auf die gesamte Autobranche gehabt.
Die praktische Umsetzung von UX-Design zwingt zur Einnahme einer „Outside-in“-Perspektive. Dabei beginnen Sie mit Ihrer Zielgruppe und arbeiten sich immer weiter voran. UX basiert auf dem grundlegenden Prinzip, die Benutzeranforderungen zu identifizieren und zu erfüllen, und nicht einfach nur das umzusetzen, was von den Benutzern verlangt wird. Ein berühmtes Zitat, das angeblich von Henry Ford stammt, besagt: „Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: ‚schnellere Pferde‘.“ Auf dieses Zitat wird auch oft in der UX-Community verwiesen, um deutlich zu machen, wie wichtig es ist, die Grundursache eines Benutzerproblems zu finden.
Dennoch entwickeln viele Unternehmen Funktionen rein mit Blick auf ihre Komfortzone, ohne wirklich die Benutzer zu kennen, die ihre Zielgruppe darstellen – manchmal sogar ohne klare Vorstellung davon, welches Problem sie eigentlich lösen möchten.
Wenn Sie die UX verbessern möchten, müssen Sie die folgenden Fragen beantworten können:
- Was möchten wir erreichen?
- Für wen?
- Und warum?
Diese drei Fragen beantworten zu können, hilft Ihnen dabei, sich auf die Geschäftsergebnisse zu konzentrieren und sich nicht in die Details der potenziellen Lösung zu verbeißen.
So bleiben Sie auch offen für neue Ideen und Möglichkeiten, wie Sie die Anforderungen der Benutzer erfüllen können. Die Frage nach dem „Warum“ beantworten zu können, ist vor allem auch wichtig, um sicherzustellen, dass Sie sich am Wertekatalog Ihres Unternehmens und Ihrem eigenen ethischen Standpunkt orientieren.
Ein Lieblingsprojekt zu begraben, ist manchmal das Beste, was Sie für Ihr Unternehmen tun können.
Usability als Treiber für Wachstum
Usability oder Benutzerfreundlichkeit ist ein wichtiger Teil des User Experience-Designs: Wenn Sie Ihren Kunden benutzerfreundliche Tools an die Hand geben, werden sie unweigerlich Zeit und Geld sparen. Angesichts der Tatsache, dass die Automatisierung eines Unternehmens immer noch viel Handarbeit erfordert, müssen wir an den Tools feilen, die zur Installation eines automatisierten Systems benötigt werden.
Eine verbesserte Benutzerfreundlichkeit zahlt sich langfristig aus.
Nehmen wir beispielsweise einen Arbeitsschritt, der sich in fünf Minuten ausführen lässt. Nun überlegen wir, wie oft dieser Arbeitsschritt ausgeführt werden muss. Rechnen wir mit zweimal pro Tag. Diese Zahl wird nun mit der Anzahl an Menschen multipliziert, die den Arbeitsschritt ausführen müssen. Gehen wir davon aus, dass es zwei Personen für diesen Arbeitsschritt gibt. Wenn wir nun die Zahlen für den Verlauf eines ganzen Jahres mit 260 Arbeitstagen zusammenzählen, werden für diesen fünfminütigen Arbeitsschritt etwa 87 Stunden pro Jahr aufgewendet. Oder in anderen Worten: etwas mehr als zwei volle Arbeitswochen.
Daher kann es Sinn machen, scheinbare Kleinigkeiten zu prüfen und zu verbessern, um so im Zeitverlauf erhebliche finanzielle Vorteile zu erzielen.
Um ein gleichbleibend schnelles Wachstum der Automatisierung zu ermöglichen, müssen wir uns darum bemühen, die Benutzerfreundlichkeit aller Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Automatisierungsprozess deutlich zu verbessern. Wir können von den Menschen nicht mehr erwarten, dass sie für die Installation eines automatisierten Systems technisches Fachwissen benötigen.
Das heißt, dass die Komplexität der Tools, die einst von Technikern für andere Techniker entworfen wurden, stark verringert werden muss. Schnelles Wachstum erfordert Benutzerfreundlichkeit. Um dies zu erreichen, müssen wir unsere Zielgruppe kennen und uns in sie hineinfühlen. Außerdem müssen wir ständig prüfen, ob wir uns auf dem richtigen Weg befinden.
Vor der Investition in Technologietrends steht die Kenntnis der Benutzeranforderungen.
Man lässt sich leicht von aufkommenden technologischen Trends verführen, die es scheinbar dringlich machen, in den aktuell jeweils heißesten Trend zu investieren.
Egal ob es um Machine Learning, digitale Zwillinge, Blockchain-Technologie oder 5G geht, wir müssen dem UX-Prozess vertrauen und sicherstellen, dass der Fokus darauf liegt, wie wir Geschäfte machen und gleichzeitig die Benutzeranforderungen erfüllen können.
Mit Sicherheit ist AI ein exzellenter Enabler für die Lösung eines bestimmten Problems. Der Start einer AI-Initiative ohne ein klares Ergebnis vor Augen ist jedoch ein großes Risiko und kann dazu führen, dass Ihr Unternehmen viel unnötigen Aufwand betreibt.
Es gibt massenweise Beispiele für innovative Technologie-Initiativen, denen es nicht gelang, den Benutzeranforderungen gerecht zu werden, und die darum am Ende scheiterten. Wenn wir jedoch jede Initiative aus der Kundenperspektive starten, sind wir gezwungen, gut zu überlegen, welche Technologie wir für die Lösung eines bestimmten Problems verwenden möchten. Wir müssen auch überlegen, ob das Problem wirklich eine Lösung erfordert.
Wenn wir unsere Kunden und ihre Erfahrungen ganz oben auf die Prioritätenliste setzen, müssen wir aufhören, etwas einfach nur anzunehmen, sondern stattdessen hinausgehen und uns damit auseinandersetzen.
Wir müssen mit unseren Benutzern sprechen und ihre Interaktion mit unseren Produkten und Dienstleistungen beobachten, ihr Verhalten zur Kenntnis nehmen und den Kontext untersuchen.
Indem wir das tun, entwickeln wir Schritt für Schritt Verständnis für ihre Realität und bauen mit der Zeit Benutzerempathie auf. Empathie für unsere Benutzer aufzubringen, entfaltet eine unglaubliche Kraft, mit der sich Probleme besser lösen lassen.
Beispielsweise können ziemlich unterschiedliche Lösungen gefragt sein, je nachdem, ob wir Tools für Applikationsingenieure entwerfen, die in einer ruhigen Büroumgebung sitzen, oder für Servicetechniker, die in lauten Produktionsstätten arbeiten. Wenn wir beim Aufspringen auf den Zug der vierten industriellen Revolution UX-Praktiken anwenden, stellen wir somit sicher, dass wir den Fokus darauf richten, welche Anforderungen erfüllt werden müssen, bevor wir darüber entscheiden, welche Technologie zur Erfüllung dieser Anforderungen zum Einsatz kommen soll.
Schlussendlich ist es ja so, dass Kunden der Grund sind, warum es Unternehmen überhaupt gibt.
Aus dem Almanach für Robotik und Automatisierung 2021