Rohre vom Stück geschnitten
Ohne Späne und extrem gratarm blitzschnell auf Länge: Kollmorgen Automation Suite bringt Tempo in die Metallverarbeitung
Trommelmagazin zum Puffern der Rohlinge, angetrieben vom Kollmorgen AKM Servomotor.
Exakte Längen und extrem gratarme Schnittkanten ohne Späne sind die maßgeblichen Qualitätsmerkmale für individuell konfektionierte Rohrabschnitte. Sie finden später als Bauteile ihren Weg in den Maschinenbau und vor allem die Automobilindustrie. Spezialist auf diesem Gebiet: FZH Maschinenbau aus Großkampenberg. Das Rohrschneidsystem Vario ist konzipiert für dünnwandige Rohre und arbeitet mit einer Motion Control Lösung von Kollmorgen. Für die Konzeption der Antriebs- und Steuerungstechnik holte sich das Unternehmen aus der Eifel die Engineering-Experten der Quality Automation GmbH ins Projekt.
Den Anfang der Anlage zum exakten Ablängen von Rohren in unterschiedlichen Querschnitten und Legierungen macht ein Trommelmagazin zum Puffern der Rohlinge. Ab hier übernimmt ein servomotorisch angetriebenes Handlingssystem mit Schwenk- und Linearachsen die automatisierte Bestückung der Schneidanlage. Im Zentrum des Ablängprozesses steht der Schneidkopf, in dessen Mitte das zu schneidende Rohr von einer linearen Achse mit Greifeinheit positioniert wird. An welcher Stelle die drei Rundmesser dann auf die Oberfläche treffen, legt eine Markierung fest. Die Schnittmarke bringt im vorherigen Handlingsprozess eine Lasereinheit entsprechend den Erfordernissen des gerade aktuellen Fertigungsjobs auf. Erkannt wird die Marke von einer optischen Sensorik, die FZH in den Trennkopf integriert hat.
Automation aus einer Hand
Für das Engineering der komplexen Abläufe arbeitet der Maschinenbauer aus der Eifel in einer gewachsenen Partnerschaft eng mit der Quality Automation GmbH (QA) zusammen. Der Systempartner von Kollmorgen aus Stolberg in der Region Aachen hatte in diesem Projekt die Aufgabe, die komplette Automatisierung der Anlage zu konzipieren und zu realisieren. „In unseren Händen lag die elektrische Konstruktion, die CE-Dokumentation, der Schaltschrankbau, die Softwareentwicklung und letztlich auch die Inbetriebnahme der Anlage“, erklärt Friedhelm Steffens, Mitglied der QA-Geschäftsführung. Zudem bestand das Ziel darin, den Schneidkopf auf eine Weise zu automatisieren, dass die späteren Maschinenbetreiber die Anlage für unterschiedliche Rohrquerschnitte, Wandungsdicken und Werkstoffe einsetzen können. Kunden von FZH rekrutieren sich vor allem aus der Automobilzulieferindustrie. „Flexibilität muss also gewährleistet sein, um variierende Aufträge auch mit kleinen Stückzahlen wirtschaftlich produzieren zu können“, unterstreicht Friedhelm Steffens.
Umgesetzt hat QA die Aktorik des Schneidkopfes mit einem Verbund aus zwei Servoantrieben. Die so genannte Hebelträgerscheibe bringt drei kreisrunde Schneidmesser auf eine definierte Rotationsgeschwindigkeit entlang des Außenumfangs des zu schneidenden Rohres. Die Kurvenscheibenachse gewährleistet dann das Eintauchen der drei Messer in das Material mit einer exakt festgelegten Profilführung. Koordiniert und geregelt wird dieser Verbund vom AKD PDMM von Kollmorgen. Das Gerät bietet eine frei programmierbare Motion Control Steuerung in Kombination mit einem Servoverstärker unter einem Dach. Der AKD PDMM treibt die Hebelträgerscheibe an und steuert ferner per Ethercat-Kommunikation einen weiteren Kollmorgen-Servoregler vom Typ AKD. In Richtung Anlagensteuerung kommuniziert der AKD PDMM wiederum über Profinet mit der Siemens-Steuerung als Profinet-Master.
Einfache Bewegungsprogrammierung
Sämtliche Bewegungsabläufe und die Synchronisierung der zwei Antriebe hat QA mit Hilfe der Kollmorgen Automation Suite (KAS) realisiert. Die Entwicklungsplattform ist in den AKD PDMM integriert. Der Servoverstärker verfügt damit über eine hochperformante SPS- und Motion Control-Funktionalität. Zudem lassen sich die Abläufe über die grafische Programmierumgebung Pipe Network schnell und einfach programmieren. Zusätzlich stehen die fünf standardisierten Sprachen der IEC 61131-3 für die Ablaufsteuerung sowie PLCopen-Motion-Control-Funktionsbausteine zur Bewegungssteuerung zur Verfügung.
Die Arbeit mit Pipe Network gehört zu den Highlights innerhalb der Kollmorgen Automation Suite. Das Pipe Network versetzt FZH in die Lage, die komplexen Zusammenhänge des Schneidprozesses zu entflechten und modular darzustellen. Auf diese Weise ist jede Teilbewegung in sich einzeln und unabhängig von den anderen einstellbar. Diese Modularität im Engineering macht es sehr einfach, für jedes Rohr mit seinen unterschiedlichen Materialien, Wandstärken und Durchmessern den Schneidprozess optimal zu gestalten. Beim Schneiden laufen die Hebelträger- und Kurvenscheiben synchron zueinander und das Messer kreist dabei um das Rohr. Durch eine überlagerte Bewegung der Kurvenscheibe (wahlweise realisiert als Fahrsatz oder elektronische Kurven) tauchen die Messer in das Material ein und schneiden das Rohr. Bei harten Materialien – an erster Stelle ist hier Edelstahl zu nennen – greift bei der Bewegungsführung des Eintauchens eine skalierte elektronische Kurvenscheibe. Sie sorgt dafür, dass die Messer zunächst schneller in den Werkstoff eintauchen. Dann reduziert sich das Tempo immer weiter – und dieses abhängig von der Restwandstärke. Diese Präzision in der Motion Control schafft die Grundlage, auch Rohre aus Duplexstählen spanlos und extrem gratarm zu trennen.
Zurück zum Pipe Network, das die Maschinenarchitektur inklusive der Abhängigkeiten zwischen den Achsen einer Anwendung in sehr kurzer Zeit übersichtlich und genau abbildet. Anwender können quasi ihre Maschine malen und dabei gleichzeitig programmieren. Vergleichen lässt sich die Arbeit mit einer durchdachten mechatronischen Antriebsprogrammierung, die auch Maschinenbauprofis ohne spezielle Programmierkenntnisse beherrschen. Hintergrund: Die ansonsten sehr komplexe Programmierung wird beim Pipe Network durch eine grafische Beschreibung mit Drag-and-Drop-Funktion ersetzt. Ausgehend von einem virtuellen Master lassen sich sämtliche Funktionen und Beziehungen zwischen Komponenten sowie sämtliche Bewegungen und Einstellungen mit grafischen Beschreibungsblöcken definieren.
In der Umsetzung führt diese Arbeitsweise beim Schneidkopf zu einer kurvengesteuerten Vorschub- und Öffnungsbewegung der Schneidräder. „Wir erhalten damit entscheidende Vorteile gegenüber herkömmlichen Trennverfahren“, erklärt Friedhelm Steffens. Zunächst werden die Schneidmesser im Eilgang an das Rohr gefahren – um danach ohne zu stoppen im langsameren Schnittgang bis zum Erreichen der Endposition das Rohr zu trennen. Die Rückfahrt in die Ausgangsposition erfolgt dann – mit Blick auf die Produktivität – ebenfalls im Eilgang.
Weit gefasstes Produktionsspektrum
Der Prozess ist in seiner Grundform fest definiert, in den Feinheiten aber universell anpassbar. FZH und QA haben damit in Summe eine Lösung entwickelt, mit der sich alle gängigen Werkstoffe schneiden lassen. Das Rohrschneidsystem Vario verarbeitet Durchmesser von 4 bis 120 Millimeter mit Wandstärken zwischen 0,1 und 2,5 mm (Edelstahl 1,5 mm). Weitere Pluspunkte resultieren aus dem Verzicht auf Kühl- oder Schmiermittel. „Der Prozess bleibt sauber“, meint Steffens. Dank der Flexibilität der Motion Control lässt sich der Schneidkopf quasi per Knopfdruck auf neue Rohrquerschnitte oder variierende Materialien anpassen. Rezepturen sind auf dem Bedienpult wählbar. Hier können auch einzelne Anpassungen wie etwa die Vorschubgeschwindigkeit eingestellt werden.
Autor: Ibrahim Albach, Key Account Manager KOLLMORGEN Europe GmbH
WISSENSWERTES ÜBER KOLLMORGEN
Seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 1916 haben die innovativen Antriebslösungen von Kollmorgen große Ideen verwirklicht, die Welt ein wenig sicherer gemacht und die Lebensqualität der Menschen verbessert. Kollmorgen ermöglicht die kontinuierliche Entwicklung von richtungsweisenden Lösungen, die in Sachen Leistung, Zuverlässigkeit und Bedienerfreundlichkeit unübertroffen sind. Entscheidend hierbei sind erstklassiges Know-how im Bereich Antriebssysteme und -komponenten, branchenführende Qualität und umfassende Fachkenntnis in der Verbindung und Integration von Standard- und maßgefertigten Produkten. Dies bietet Maschinenbauern weltweit einen wichtigen Wettbewerbsvorteil und deren Endkunden das beruhigende Gefühl, sich auf die fertige Applikation jederzeit verlassen zu können. – Weitere Informationen:
www.kollmorgen.com/deu | [email protected].

Ein Zusammenspiel von hoher Präzision und kurvengesteuerte Synchronisation beider Achsen müssen die Kollmorgen AKM Servomotoren gewähren.

Schwenkachse zum Abholen der Rohlinge vom Trommelmagazin, angetrieben vom Kollmorgen AKM Servomotor

Die Anlagenaussicht, Trommelmagazin, Schwenkachse und Schneidkopf

Autor: Ibrahim Albach