Viele Anwendungen erfordern ein sehr hohes Drehmoment und eine gleichmäßige Antriebsbewegung bei relativ niedrigen Motordrehzahlen. Elektrooptische und Infrarot-Systeme (EO/IR) sind hierfür ein Paradebeispiel.
Die EO/IR-Bildgebung wird in der Militärtechnik bei zahlreichen Land-, Luft-, See- und Weltraumanwendungen eingesetzt. Diese Systeme ermöglichen eine situative Wahrnehmung und Zielerfassung unter allen Lichtverhältnissen, wie etwa bei Tag und Nacht, Nebel, Rauch, Flugsand und Schmutz. Sie müssen außerdem ein absolut ruhiges Bild erfassen und aufrechterhalten, während sie Bewegungen durch Fahrzeugbeschleunigung/-verzögerung, Vibrationen, Unebenheiten der Fahrstrecke, Luftturbulenzen und anderen unvorhersehbaren Kräften entgegenwirken.
Aufgrund der hohen Massenträgheit der kardanischen Aufhängung des bildgebenden Gerätes ist ein hohes Drehmoment erforderlich, um das System schnell zu bewegen. Um ein möglichst klares Bild zu liefern, ist eine flüssige Bewegung des Motors erforderlich. Dieser muss die Position der Mechanik der kardanischen Aufhängung regeln. Es werden relativ langsam drehende Motoren benötigt, damit das System leicht und reaktionsschnell bleibt – und das ohne Getriebe oder andere Übertragungskomponenten, die mehr Spiel und eine höhere Komplexität bedeuten.
Das Technologie-Dilemma
Bei jeder Anwendung, die ähnliche Anforderungen erfüllen muss, stehen die Ingenieure vor einem Dilemma – oft verstärkt durch falsche Vorstellungen in Bezug auf Motortechnologien und -fähigkeiten.
Ein maximal verfügbares Drehmoment und eine maximal verfügbare Drehmomentdichte lassen sich am besten mit konventionellen bürstenlosen Motoren in Nutenausführung erreichen. Diese Motoren weisen jedoch ein inhärentes Rastmoment auf, das die Laufruhe bei niedrigen Drehzahlen beeinträchtigen kann. Nutenlose Motoren haben kein Rastmoment, können aber dennoch eine Drehmomentwelligkeit aufweisen. Zudem liefern sie bei gleicher Baugröße ein geringeres Drehmoment als ein konventioneller Motor.
Welche Technologie sollten Sie also für Anwendungen mit niedrigen Drehzahlen und hohen Drehmomenten wählen? Und wie können Sie eine möglichst sanfte Bewegung sicherstellen? Schauen wir uns die relevanten Konzepte genauer an.
Rastmoment
Das Rastmoment wird im Wesentlichen durch die Anziehung zwischen den auf dem Rotor montierten Permanentmagneten und den Stahlnuten der Statorbleche verursacht. Das Rastmoment macht sich physikalisch als eine intermittierende „ruckartige“ Bewegung bemerkbar, wenn Sie die Welle eines herkömmlichen bürstenlosen Motors drehen. Nutenlose Motoren weisen diese Eigenschaft nicht auf. Im stromlosen Zustand kann sich der Rotor frei drehen, da die Permanentmagnete nicht von den nichtmagnetischen Statorspulen angezogen werden.
Während das Rastmoment zur Drehmomentwelligkeit beitragen kann, ist es wichtig zu beachten, dass sich die elektromagnetischen Eigenschaften eines bestromten Motors erheblich von denen eines nicht erregten Motors unterscheiden. Das Rastmoment, das Sie mit Ihren Fingern fühlen, wirkt sich bei einem Motor unter Spannung nicht so prägnant aus, dass es von der bewegten Last „gefühlt“ werden kann.
Drehmomentwelligkeit
Die Drehmomentwelligkeit ist eine ungleichmäßige Drehmomenterzeugung während der Drehung eines Rotors in einem bestromten Motor, die durch Abweichungen in den elektromagnetischen Feldern und deren Wechselwirkungen zwischen Rotor und Stator verursacht wird. Das Rastmoment in einem konventionellen Motor trägt zu diesen Abweichungen bei.
Das Rastmoment beeinflusst die Drehmomentwelligkeit in einem konventionellen Motor.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass alle Elektromotoren – einschließlich nutenloser Motoren – eine Drehmomentwelligkeit aufweisen. Dies ist in erster Linie nicht auf das Rastmoment, sondern auf die Ankerrückwirkung zurückzuführen. Bei steigendem Strom verschiebt sich der Fluss des Magnetfeldes wodurch Oberwellen die konstante Wellenform des Motordrehmoments überlagern. Dieser Effekt ist bei nutenlosen Motoren bei mittlerem bis hohem Strom am stärksten ausgeprägt.
Die Ankerrückwirkung induziert eine harmonische Verzerrung in den elektromagnetischen Wellenformen und verursacht in einem nutenlosen Motor eine Drehmomentwelligkeit.
Die Behauptung, dass nutenlose Motoren keine Drehmomentwelligkeit aufweisen, ist ein Mythos. Bei hohen Drehzahlen "glätten" allerdings die Trägheit des Rotors und der Last die Drehmomentwelligkeit. Bei Anwendungen mit niedriger Drehzahl kann die Drehmomentwelligkeit jedoch unerwünschte Schwankungen der angetriebenen Last verursachen, unabhängig davon, ob ein konventioneller oder ein nutenloser Motor verwendet wird. Bei Anwendungen mit niedrigen Geschwindigkeiten, die auf eine perfekt gleichmäßige Bewegung angewiesen sind, ist dies ein wichtiger Punkt, der bei der Konstruktion des Gesamtsystems berücksichtigt werden muss.
Bei EO/IR-Systemen kann beispielsweise die Drehmomentwelligkeit die Qualität der visuellen Daten beeinträchtigen, was bei offensiven Anwendungen die Zielgenauigkeit verringern oder bei defensiven Anwendungen sogar die Sicherheit der Soldaten gefährden kann.
Konventionelle genutete oder nutenlose Ausführung?
Anbieter von nutenlosen Motoren können auf das fehlende Rastmoment als wünschenswertes Merkmal für Anwendungen wie EO/IR hinweisen. Aber das Rastmoment wird im Allgemeinen nicht als Spezifikation für Servomotoren angegeben, und das aus gutem Grund. Das Verhalten des bestromten Motors ist das Wichtigste. Und wie bereits erwähnt, tritt bei allen Motoren das Phänomen der Drehmomentwelligkeit auf – auch bei nutenlosen Ausführungen.
Für EO/IR-Anwendungen sind konventionelle bürstenlose Motoren in der Regel die bessere Wahl. Bei gleicher Motorgröße liefert ein herkömmlicher Motor mit genutetem Blech ein höheres verfügbares Drehmoment pro Motorvolumen. Dies ist besonders bei niedrigen Drehzahlen (typischerweise unter 500 U/min) wichtig, die für viele Anwendungen erforderlich sind, wie zum Beispiel in unserem EO/IR-Beispiel.
Ein konventioneller Motor erzeugt ein deutlich größeres konstantes Drehmoment und Spitzendrehmoment im Vergleich zu einem nutenlosen Motor des gleichen Volumens.
Unser Blog-Beitrag „Slotted und Slotless Motoren“ bietet einen umfassenden Einblick in die Thematik der bürstenlose Motorausführungen und ihre besonderen Anwendungsstärken.
Abschwächen der Drehmomentwelligkeit
Angenommen, Sie haben sich für einen konventionellen bürstenlosen Motor entschieden, der eine maximale Drehmomentdichte für Ihre Anwendung mit niedriger Drehzahl liefert, was können Sie tun, um die Drehmomentwelligkeit zu minimieren? Da das Rastmoment zur Drehmomentwelligkeit beitragen kann, besteht eine Möglichkeit darin, den Motor zu modifizieren, um das Rastmoment zu reduzieren. Wir besprechen diesen Ansatz in unserem Artikel „Slotted und Slotless Motoren“.
Diese Konstruktionsvarianten neigen jedoch dazu, das Drehmoment und die Drehmomentdichte mehr oder weniger stark zu reduzieren. Allerdings können sie das Rastmoment nicht vollständig beseitigen. Unabhängig davon, ob ein modifiziertes Motordesign verwendet wird oder nicht: das leistungsstärkste Werkzeug zur Minimierung der Drehmomentwelligkeit ist das Regelungssystem, mit hochauflösendem Gebersystem, Regelkreisen mit hoher Bandbreite und fortschrittlichen, laststörungsunterdrückenden Antriebsalgorithmen.
Eine hochauflösende Rückmeldung des Drehmoments/der Kraft, welche während der Bewegung der Rotors auf die Last wirkt, kann in einem Summationspunkt mit den Sollwerten des Reglers aufsummiert werden. Hierdurch kann die Drehmomentwelligkeit reduziert werden, wodurch eine gleichmäßigere Beschleunigung und Geschwindigkeit erreicht wird. Dies ist vergleichbar mit der 180°-Phasenumkehrtechnik, die zur Entfernung unerwünschter Nebengeräusche in Kopfhörern mit Geräuschunterdrückung verwendet wird. Fortschrittliche Antriebe, wie sie typischerweise in EO/IR-Anwendungen eingesetzt werden, können diese Unterdrückung der Drehmomentwelligkeit bieten.
Ebenso kann der Drehzahlregelkreis bei Betrieb im Geschwindigkeits- und/oder Positionsregelkreismodus die Drehmomentwelligkeit reduzieren, indem er das Rückkopplungssignal des Motors und die Sollwerte aus der Steuerung berücksichtig. Wenn die Bandbreite des Drehzahlregelkreises hoch genug ist, um die Hauptursachen der Drehmomentwelligkeit entgegen zu wirken, sollte das Rastmoment keine Auswirkungen mehr haben, während die Geschwindigkeitswelligkeit fast vollständig unterdrückt werden kann.
Hochauflösende Gebersysteme sowie Regelkreise mit hoher Bandbreite und fortschrittlichen, laststörungsunterdrückenden Antriebsalgorithmen können die Drehmomentwelligkeit stark reduzieren beziehungsweise annähend eliminieren.
Zusammenfassung
Durch die Auswahl der richtigen Motortechnologie für die jeweilige Anwendung, die Verwendung eines modifizierten Motordesigns – sofern dies sinnvoll ist – und die Anwendung von Regelungstechnologien zur Abschwächung der Drehmomentwelligkeit, ist es möglich, die richtige Balance zwischen Drehmomentdichte und Laufruhe in einem perfekt passenden Motor für praktisch jede Anwendung zu erreichen.
Im Fall einer Anwendung mit niedriger Drehzahl, hohem Drehmoment und hoher Laufruhe wie EO/IR, bedeutet dies, dass ein konventioneller Motor mit hohem Drehmoment gewählt werden muss – möglicherweise mit bestimmten konstruktiven Änderungen zur Minimierung des Rastmomentes. Darüber hinaus müssen die entsprechenden Rückführungs- und Regelungstechnologien eingesetzt werden, um die Drehmomentwelligkeit deutlich zu reduzieren. Andere Arten von Anwendungen haben ihre eigenen, sehr spezifischen Anforderungen.
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